Privatkonkurs nützt allen Beteiligten
(01.07.2006) Die kontinuierliche Steigerung an Privatkonkursen – im ersten Halbjahr 2006 wurden um 15% mehr Konkurse eröffnet als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs – zeichnet ein deutliches Bild der Überschuldungsproblematik privater Haushalte. Neben den 3.147 im ersten Halbjahr 2006 eröffneten Privatkonkursen wird dieses Bild auch von der steigenden Nachfrage nach Schuldenberatung bestätigt. Insgesamt 7.140 Personen nahmen in den letzten sechs Monaten eine Erstberatung in Anspruch, das entspricht einer Zunahme von beinahe 7%. Jährlich werden von den etwa 100 MitarbeiterInnen in Schuldenberatungseinrichtungen an die 5.000 Verfahren vorbereitet und über 45.000 Beratungsgespräche mit 20.000 Personen geführt.
Bei aller Dramatik der Situation ist die steigende Zahl der Privatkonkurse auch als Bestätigung für das Problemlösungspotential des Konkurses zu sehen, so Hans W. Grohs, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen, Dachorganisationen der Schuldenberatungseinrichtungen in Österreich. "Über 35.000 Personen haben sich seit 1995 dem Verfahren gestellt und die Chance auf einen Neubeginn genutzt. Als Lösungsansatz in einer ausweglosen Situation bringt der Privatkonkurs allen Beteiligten Vorteile", so Grohs. „Den Gläubigern ermöglicht er Rechtssicherheit und die gleichrangige Verwertung von Vermögen und Einkünften der Überschuldeten. Durch den erzielten wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich wird ein gesamtgesellschaftlicher Nutzen erzielt".
Privatkonkurs verlangt Einschränkungen und viel Disziplin
Österreichweit ist nach Hochrechnungen der Schuldnerberatungen von insgesamt 300.000 überschuldeten bzw. gefährdeten Haushalten auszugehen. "Stellt man die Zahl der Privatkonkurse dem und den über 1,2 Millionen Exekutionsverfahren gegenüber, wird deutlich, dass die Privatkonkurse immer noch von einem kleinen Teil als Schuldenregulierungsmaßnahme in Anspruch genommen werden." Vor allem die lange Dauer verhindere oft eine Inanspruchnahme. Etliche Jahre lang fordert der Privatkonkurs von überschuldeten Personen die Einschränkung auf ein Leben am Existenzminimum. "Der Privatkonkurs bedeutet für viele eine zweite Chance verlangt aber auch viel Disziplin".
Bei Antrag und Eröffnung des komplexen Schuldenregulierungsverfahrens werden ¾ aller Betroffenen von Schuldnerberatungen sowohl juristisch als auch sozialarbeiterisch unterstützt.
Positives Zeugnis auch durch Gläubiger – Schuldenberatungen fordern besseren Zugang
Auch Gläubigervertreter stellen dem Privatkonkurs mehrheitlich ein positives Zeugnis aus. In beinahe 75% aller Privatkonkurse stimmen diese den von den Betroffenen vorgeschlagenen Zahlungsplänen zu.
Der Erfolg der Lösungsstrategie Privatkonkurs spreche, so Grohs, eindeutig für weitere Verbesserungen im Zugang zu diesem Verfahren. Dies wäre, so die Analyse der Schuldnerberatungen vor allem durch eine Reduktion der europaweit höchsten Gesamtdauer eines Privatkonkursverfahrens und eine individuelle Restschuldbefreiung ohne starre Mindestquote zu erreichen. "Die Quote, die Gläubiger aus dem Verfahren lukrieren würden, wird in Summe nicht geringer sein als Einbringungen im oft erfolglosen Exekutionsverfahren oder bei Abschöpfungen" zitiert Grohs eine Untersuchung der Schuldnerberatungen. Gleichzeitig wäre der Aspekt der Sanierung gestärkt.
Mehr finanzielle Allgemeinbildung und rationale Information der Banken ist notwendig
Der Grund für die Zunahme an Konkursen wie für die Überschuldungssituation an sich dürfe nicht nur im individuellen Verhalten der Betroffenen gesucht werden, betont Grohs, in Betracht zu ziehen sei neben der grundlegend schwierigeren sozialen und arbeitsmarktpolitischen Situation auch die Verantwortung bei der Kreditvergabe. „Wir brauchen mehr vernünftige Informationen der Banken gegenüber KreditnehmerInnen, gleichzeitig gilt es die finanzielle Allgemeinbildung durch gezielte Bildungsmaßnahmen zu steigern“ skizziert Grohs einige der von den Schuldnerberatungen geforderten Maßnahmen zur Reduzierung des Schuldenproblems. „Die Bedarfsdeckung muss gegenüber der Bedarfsweckung wieder den Vorrang bekommen.“
Privatkonkurs im Überblick (siehe auch Beilage Grafik):
Der umgangssprachliche Ausdruck "Privatkonkurs" wird im Gesetz als "Schuldenregulierungsverfahren" bezeichnet Die Grundidee des Privatkonkurses besteht darin, dass SchuldnerInnen über einen vereinbarten Zeitraum Beträge, die für sie leistbar sind, zurückzahlen. In dieser Zeit soll nur eine "bescheidene, aber menschenwürdige" Lebensführung möglich sein. Im Gegenzug stoppt der Zinsenlauf und die SchuldnerInnen sind bei Einhaltung der vereinbarten Zahlungen und sonstigen Pflichten wieder schuldenfrei.
Gläubiger erhalten im Rahmen des Privatkonkurses entsprechend der Leistungsfähigkeit der SchuldnerInnen einen Teil ihrer Forderungen zurück. Ziel des Verfahrens ist es also redlichen und motivierten SchuldnerInnen die realistische Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn zu geben.
Zu den rechtlichen und praktischen Voraussetzungen für den Privatkonkurs zählen die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit der SchulderInnen, regelmäßiges Einkommen, gesicherte Wohnsituation, eine vollständige Liste aller Gläubiger, die Verpflichtung keine neue Schulden zu machen, sowie die nachweisbare Möglichkeit monatlich einen bestimmten Betrag zur Rückzahlung zur Verfügung stellen zu können. Die regelmäßigen Rückzahlungen werden entweder aufgrund eines von den SchuldnerInnen vorgeschlagenen Zahlungsplans – dem die Gläubiger zustimmen können – oder über das bei Scheitern des Zahlungsplans rechtliche vorgesehene Abschöpfungsverfahren durch 7 Jahre Pfändung abgewickelt. Konnten nach Ende dieser Pfändung auf das Existenzminimum im Abschöpfungsverfahren zumindest 10% der Schulden beglichen werden, gibt es die Restschuldbefreiung; andernfalls kann das Verfahren auch verlängert werden.
Die ASB Schuldnerberatungen GmbH vertritt als Dachorganisation die Interessen der bevorrechteten und damit vom Justizministerium öffentlich anerkannten Schuldnerberatungen in Österreich.