Privatkonkurs: Für wen gelten neue Regelungen?

(Wien, 8. Juli 2021) Die Schuldenberatungen begrüßen die Reformen für den Privatkonkurs – jedoch mit Einschränkungen. Die Insolvenzrechtsnovelle setzt eine EU-Richtlinie um, die vorschreibt, dass sich Selbstständige künftig innerhalb von drei Jahren entschulden können. Die Möglichkeit dazu wird grundsätzlich auch privaten SchuldnerInnen gegeben. Für diese ist die Verkürzung auf drei Jahre Entschuldungsdauer allerdings bis 2026 befristet. Das kritisiert Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich: „Darin besteht eine Ungleichbehandlung zwischen privaten SchuldnerInnen und Selbstständigen. Die Schuldenberatungen fordern, dass sich Private auch nach 2026 innerhalb von drei Jahren entschulden können. Ein verkürzter Privatkonkurs steht ohnehin nur jenen offen, die ernsthaft und konsequent an einer Entschuldung interessiert sind. Diesen Menschen muss dauerhaft die Chance auf eine dreijährige Entschuldung gegeben werden."

Bedingungen für drei Jahre Entschuldungsdauer
Die verkürzte Entschuldung ist an bestimmte Bedingungen gebunden. Sobald das Gericht die offenkundige Zahlungsunfähigkeit veröffentlicht hat, müssen SchuldnerInnen rasch handeln:
UnternehmerInnen müssen innerhalb von 30 Tagen einen Antrag auf Eröffnung des Privatkonkurses stellen.
Private SchuldnerInnen müssen innerhalb von 30 Tagen Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder zur Vorbereitung des Privatkonkurses ergreifen. Etwa, indem sie sich bei einer staatlich anerkannten Schuldenberatung für eine Beratung anmelden. Außerdem dürfen sie keine neuen Schulden machen.
Nur wenn diese Frist eingehalten wird, ist für beide Gruppen ein Privatkonkurs innerhalb von drei Jahren möglich.

Daten überschuldeter Menschen werden veröffentlicht
Eine zweite Reform, die überschuldete Menschen betrifft, ist bereits seit 1. Juli in Kraft – die Novelle der Exekutionsordnung. Stellt das Gericht fest, dass jemand überschuldet ist, wird diese „offenkundige Zahlungsunfähigkeit" in der Ediktsdatei im Internet veröffentlicht. Das sieht Clemens Mitterlehner sehr problematisch: „Arbeitgeber, Vermieter, ArbeitskollegInnen oder neugierige NachbarInnen können nachsehen, ob eine Überschuldung besteht. Das wird zu gravierenden Nachteilen für überschuldete Menschen führen, die ohnehin mit vielen Problemen und Stigmatisierungen zu kämpfen haben".
Die neue Form der sogenannten „Gesamtvollstreckung" wird allerdings von der Schuldenberatung sehr begrüßt. Künftig werden dadurch Vermögen und pfändbare Beträge an alle Gläubiger verteilt – bisher wurde nur der erstgereihte Gläubiger bedient. Zudem rücken SchuldnerInnen näher an ein Schuldenregulierungsverfahren. Mit Einleitung einer Gesamtvollstreckung kommt es zu einem Exekutions- und Zinsenstopp, die Schuldenexplosion durch Zinsen und Kosten wird dadurch verhindert. Die Schuldenberatungen erwarten, dass durch die Reform deutlich mehr überschuldete Menschen wieder in geregelte finanzielle Verhältnisse kommen. Gerade in der Aufarbeitung der Corona-Wirtschaftskrise ist dies ein wichtiger Baustein.

 

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