Schuldenreport 2022: Situation überschuldeter Menschen verschärft sich

(Wien, 2. Mai 2022) 2021 erhielten 53.000 Menschen Unterstützung von einer der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich. 7.200 Privatkonkurse wurden eröffnet, 68 % davon von einer Schuldenberatung begleitet. Durch die Corona-Pandemie sind die Privatkonkurse in den letzten beiden Jahren stark zurückgegangen: In beiden Jahren gab es rund 1.300 weniger Eröffnungen als im Zehnjahresschnitt. Eine gute Nachricht ist das nicht. Zahlungsprobleme wurden damit nicht behoben, sondern verschleppt. Zuletzt haben sich die Privatkonkurs-Zahlen wieder nach oben bewegt.

Gemeinsam gegen Überschuldung
Die vom Sozialministerium geförderte Informationsoffensive „Gemeinsam gegen Überschuldung" soll helfen, die Möglichkeiten einer Schuldenregulierung weiter bekannt zu machen. „Mir ist es ein großes Anliegen, entsprechende Unterstützungsleistungen anzubieten, sodass Zahlungsschwierigkeiten nicht in eine dauerhafte Überschuldung ausarten. Mit den Gesetzesnovellen zur Insolvenzordnung und Exekutionsordnung sind im Sommer 2021 schuldner*innenfreundliche Regelungen in Kraft getreten, von denen ich hoffe, dass Betroffene sie auch in Anspruch nehmen", so Sozial- und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch. Demnach sei eine Entschuldung in bestimmten Fällen bereits nach 3 Jahren und somit in überschaubarer Zeit möglich. Des Weiteren kommt es durch die Gesamtvollstreckung zu einem Exekutions- und Zinsenstopp für betroffene Personen, sodass die Schulden nicht mehr weiterwachsen können. Da die Gesamtvollstreckung nicht zur Restschuldbefreiung führt, ist die Kontaktaufnahme zu den staatlich anerkannten Schuldenberatungen dringend anzuraten, damit diesen Neuregelungen in der Praxis zum Durchbruch verholfen werden kann. Rauch: „Mir ist diese Informationsoffensive wichtig, weil wir damit jene Menschen erreichen, die tief in der Schuldenfalle stecken."

Existenzminimum anheben
Im Schuldenreport 2022 werden die Zahlen aus den Schuldenberatungen im Jahr 2021 aufbereitet. Deutlich sichtbar wird, dass sich Lebenssituationen zunehmend verschärfen. Fast 30 % der Klient*innen der Schuldenberatungen haben ein Einkommen unter dem Existenzminimum (2021 lag es bei 1.000 Euro). Bei den jungen Klient*innen unter 30 Jahren sind es sogar mehr als 35 %. Zum Vergleich: Die Armutsgefährdungsschwelle liegt derzeit bei 1.371 Euro. Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich dazu: „Das Existenzminimum, also jener Betrag, der bei Schuldner*innen nicht gepfändet werden darf, muss dringend zumindest an die Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden." Diese jahrelange Forderung der Schuldenberatungen wird bei den steigenden Lebenskosten immer brisanter. „Es braucht schnelle und wirksame Maßnahmen, um Menschen im unteren Einkommenssegment zu helfen", so Mitterlehner. „Auch einen Privatkonkurs muss man sich erst einmal leisten können. Dafür ist es nötig, die Lebenskosten bestreiten und zusätzliche Zahlungen für die Schuldenregelung tätigen zu können."

Der seit Jahren mit Abstand häufigste Überschuldungsgrund ist Arbeitslosigkeit. Fast 37 % der Klient*innen gaben bei der Erstberatung an, arbeitslos zu sein, das sind 4,5 Mal so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Bei den jungen Klient*innen bis 30 Jahren waren es 43 %. Klient*innen der Schuldenberatungen haben häufig eine unzureichende Ausbildung: Fast 45 % der Klient*innen haben als höchste abgeschlossene Schulbildung die Pflichtschule abgeschlossen, bei der Klientel unter 30 sind es 51 %. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es 25 %, deren höchste abgeschlossene Schulbildung die Pflichtschule ist.

Seit den frühen 1990er Jahren sind Schuldenberatungen auch in der Finanzbildung tätig. 16.300 großteils junge Menschen wurden 2021 damit erreicht, mehr als 5.300 Finanzführerscheine vergeben. Finanzbildung und Informationen sind wesentliche Bausteine, um spätere Überschuldung zu vermeiden oder aus der Überschuldung herauszukommen.

  

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Zum Projekt "Gemeinsam gegen Überschuldung" mit Visualisierung des Privatkonkurses