Finanzbildung: Schuldenberatungen fordern Qualitätskriterien

(Wien, 16. Oktober 2019)

Ständig neue Bezahlmethoden, das Smartphone als Alleskönner, undurchsichtige Klauseln, immer komplexere Wirtschaftszusammenhänge – und mittendrin junge Menschen am Sprung in die Eigenständigkeit. Sie brauchen Kompetenzen für ein gesundes Geld-Leben, die sie am besten schon in jungen Jahren erlernen und trainieren sollten. „Finanzbildung ist für uns genau diese finanzielle Basisbildung", sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der asb, der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen. Es gehe darum, Kinder und Jugendliche fit für ihre finanziellen Alltagsentscheidungen zu machen und sie bestmöglich auf ihre finanzielle Eigenständigkeit vorzubereiten. „Mit dieser Basis-Finanzbildung wollen wir die jungen Menschen stärken. Unser primäres Ziel ist es, die Basics zu vermitteln und nicht, Wissen für das Agieren am Kapitalmarkt zu lehren", so Mitterlehner.

Es gibt einen parteiübergreifenden Konsens, dass Finanzbildung wichtig ist. Kurz vor der Nationalratswahl haben die Schuldenberatungen die wahlwerbenden Parteien gefragt, ob sie der Forderung zustimmen, dass Basis-Finanzbildung österreichweit finanziert und jedem Kind zugänglich gemacht wird. Alle Parteien von denen eine Antwort eingelangt ist, haben mit „Ja" geantwortet. „Die Politik ist sich also einig, dass es Finanzbildung braucht. Jetzt muss sie sich aber auch überlegen, wie sie die Qualität und die flächendeckende Versorgung sicherstellt", sagt Mitterlehner. „An die neue Bundesregierung habe ich außerdem eine klare Erwartung: Finanzbildung soll nicht – wie im letzten Regierungsprogramm – im Kapitel ‚Kapitalmarkt stärken' stehen. Lieber würde ich es in einem Kapitel ‚Armut bekämpfen' finden."

Aktionsplan Finanzbildung

In den letzten Jahren ist die Zahl der Anbieter stark gestiegen – mit sehr unterschiedlichen Zielen, Absichten und ohne Qualitätskontrolle. Daher fordern die staatlich anerkannten Schuldenberatungen klare Qualitätskriterien für Finanzbildung in Österreich. Diese könnten etwa im Rahmen eines nationalen Aktionsplans zur Finanzbildung erarbeitet werden, wie ihn die OECD empfiehlt. „Österreich ist da säumig, wir haben viele Angebote, aber keine Strategie dahinter", sagt Clemens Mitterlehner. Die künftige Regierung sollte hier aktiv werden und einen Aktionsplan initiieren. „Die Schuldenberatungen stehen jedenfalls bereit, um ihre jahrzehntelange Expertise und Erfahrung mit unabhängiger Finanzbildung einzubringen", so Mitterlehner.

Die Arbeiterkammer unterstützt die Forderung nach mehr Finanzbildung. Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik der Arbeiterkammer Wien: „Verbraucher- und Finanzbildung in Schulen ist uns ein wichtiges Anliegen. Sie soll dazu beitragen, dass bereits SchülerInnen eine gesunde Konsumkompetenz entwickeln und auf die künftigen Herausforderungen im Alltag gut vorbereitet werden. Unsere Beratungserfahrung zeigt etwa, dass KreditnehmerInnen bei der Unterzeichnung eines Kreditvertrages die finanziellen Konsequenzen nicht immer so bewusst sind, wie nötig wäre. Wesentlich ist zudem, dass Finanzbildung in Schulen unabhängig von Geschäftsinteressen von Banken oder anderen Unternehmen erfolgt, die in den SchülerInnen vor allem potenzielle künftige KundInnen sehen.
Es braucht auch Qualitätsstandards für Verbraucher- und Finanzbildung. Nur so können SchülerInnen Kompetenzen erwerben, um kritische, reflektierte und selbstbestimmte Konsumentscheidungen treffen zu können."

Finanzbildung zahlt sich aus

Knapp 23 Prozent der KlientInnen der Schuldenberatungen sind höchstens dreißig Jahre alt. Sie haben
also schon in jungen Jahren so viele Schulden angehäuft, dass sie Schwierigkeiten bei der Rückzahlung haben. Seit den 1990er Jahren entwickeln Schuldenberatungen Angebote zur Finanzbildung, die unabhängig von den Interessen der Kreditwirtschaft und des Handels sind. So wie auch die Schuldenberatung selbst sind deren Finanzbildungs-Angebote aus Landesmitteln gefördert. Das funktioniert in manchen Bundesländern sehr gut, andere können der steigenden Nachfrage kaum bis gar nicht nachkommen.

Oberösterreich ist ein positives Beispiel. Hier investiert das Land seit vielen Jahren in den Ausbau der Finanzbildung. Zwei Schuldenberatungen haben Angebote für verschiedene Zielgruppen entwickelt. Ein Erfolgsmodell ist etwa der OÖ Finanzführerschein der SCHULDNERHILFE OÖ. „Wir erreichen damit jedes Jahr mehr als 3.000 Jugendliche", sagt Thorsten Rathner, der selbst schon unzählige Stunden in Klassen verbracht hat. Der Finanzführerschein besteht aus fünf Modulen. „Das ermöglicht eine intensive Beschäftigung mit der Thematik über einen längeren Zeitraum. Damit kann das erworbene Wissen nachhaltig in den Köpfen gespeichert werden", so Rathner. Eine der Schulen, in der der OÖ Finanzführerschein bereits seit vielen Jahren fix am Plan steht, ist die Polytechnische Schule Perg. Direktorin Ludmilla Lumesberger schätzt das Angebot sehr: „Die Jugendlichen lernen von Grund auf, wie sie mit ihrem Geld auskommen, worauf es ankommt, wenn sie den ersten Mietvertrag unterschreiben. Sie verlieren die Angst vor dem Unbekannten. Und sie sind richtig stolz, wenn sie den Finanzführerschein in Händen halten", erzählt sie. Die Investition der öffentlichen Hand in Oberösterreich zahlt sich aus. Die Zahl der jungen KlientInnen in den Schuldenberatungsstellen ist hier deutlich rückläufig.

 

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